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„Die Mauer ist weg“

ARD-alpha, Sendung vom 6.11.2019

In der fünfteiligen Interviewreihe „Die Mauer ist weg…“ von ARD-alpha werden Persönlichkeiten interviewt, die den Mauerfall in Berlin vor 30 Jahren selbst miterlebt haben. Wir erhalten sehr persönliche Einblicke darüber, was in der Nacht des Mauerfalls geschah und welche Ereignisse zum Zusammenbruch der DDR führten.

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„Leben und Sehnsüchte“

DNN, Aldo Lindhorst, 9.10.2019

Barbara Thalheim im Feature-Ring.

Ja, man hat sie vermisst. Barbara Thalheim galt einst als Ikone. Sie war stets eine widerspenstige, eigensinnige Liedermacherin, die sich rieb an alledem, was ihr, der nachdenklichen Frau, nicht passte. Hellwach und mit sehr eigener Stimme hat sie sich eingemischt, wo sie es für angebracht hielt.

Dann wurde es einige Jahre lang sehr still um sie. Persönliche Gründe und die Sehnsucht, das Nach-Wende-Deutschland von außen zu betrachten, waren Ursachen dafür. Ihre gelebte Liebe zu Frankreich blieb nicht ohne Spuren, Barbara Thalheim avancierte durch dortige Einflüsse zur – nach wie vor unangepassten – Chanteuse.

Die kam nun, just zum 7. Oktober, ins Festspielhaus Hellerau und trat dort im Feature-Ring des gleichnamigen Trios auf. Sie ließ sich darauf ein, ihre Lieder vom Ring-Trio begleiten, illustrieren, verfremden zu lassen. Pianist Eren Solak, Felix-Otto Jacobi am Bass sowie Demian Kappenstein am Schlagzeug hielten sich hörbar, ehrfürchtig womöglich?, mit Eigenwilligkeiten zurück. Zudem brachte die 1947 in Leipzig geborene Sängerin mit dem Gitarristen Rüdiger Krause und dem aus Argentinien stammenden Perkussionisten Topo Gioia zwei weitere Mitglieder ihrer vertrauten Besetzung mit, zu der Felix-Otto Jacobi ohnehin schon seit langem gehört.

Nach einem Sprach-Sampler, in dem es mit Wortfetzen um den 9. Oktober 1989 ging, eröffneten die Gastgeber klassisch als Trio, bevor das bestens besuchte Konzert dann zum Thalheim-Erlebnis wurde. Erinnerungsbeladen wie die Texte ihrer Lieder waren auch die Ansagen zwischendurch, neben einer Portion Nostalgie überwog freilich die Nachdenklichkeit, die anstecken sollte. Rückblickend ging es mit dem Titel „So lebten wir in den Zeiten der Stagnation“ (worauf sich „die Windstille war unser Lohn“ gereimt hat) ans Wachrufen bleierner Jahre. In denen aber auch gelebt, geliebt und betrogen worden ist, wie sie betonte. Reminiszenzen an die Insel Hiddensee, Bilder der Prignitz, wohin sich die Berliner Bohème gerne geflüchtet hatte, und die „Sehnsucht nach der Schönhauser Allee“ machten das Spektrum vieler Lebens- und Liederjahre von Barbara Thalheim nachvollziehbar.

Dass sie – neben Paris-Impressionen wie „Die Kinder der Nacht“ und besungener Einsamkeit in „Paris RER“ – mit aktueller Zeitkritik nicht sparte, war zu erwarten. Ob Computersucht in „Klick Klack“, ob „Das deutsche Volks“ („geht mir auf den Zeiger… ist leider meins“) – die Thalheim macht aus ihrer Haltung auch heute keinerlei Hehl. In ihren persönlichsten Stücken hat Barbara Thalheim, die für zwei Auftritte auch den Cellisten Diethard Krause auf die Bühne holte, an eine Diva wie die Knef erinnert.

„Endlich eine, vor nichts gefeit“

SVZ, Monika Maria Degner, 18.3.2019

Die Sängerin und Liedermacherin Barbara Thalheim gab mit ihrer Band ein Konzert im Kulturhaus von Mestlin, Titel “Vorsicht! Frau!”

Am Ende brauste stürmischer Beifall durch den kleinen Saal im großen Kulturhaus von Mestlin. Die Titelfolge des Konzerts der noch aus DDR-Zeiten bekannten Sängerin und Liedermacherin Barbara Thalheim hatte genau darauf auch gebaut. Die mächtigsten, die auch musikalisch mitreißendsten Titel krönten das Ende, waren echte „Burner“. Dann wäre Schluss des Konzerts gewesen, hätte das Publikum nicht heftig und seiner Wirkung bewusst eine Zugabe gefordert. Und die gab Thalheim wiederum die Freiheit, ein Lied außerhalb des Konzertthemas „Frau“ zu präsentieren, den Song „Klick, klack“ über das fragwürdige Mitmachen mittels Meinungsäußerung im Internet.

„Vorsicht! Frau!“ war der Titel dieses Konzerts und er mochte zunächst die Frage aufwerfen, ob die Vorsicht nun einer starken, kämpferischen Frau zu gelten habe oder  – im Gegenteil – ironisch auf ein zerbrechliches Gut namens Frau anspielte,  so wie der Paketaufkleber „Vorsicht Glas“. Es ging der Titelgeberin aber wohl um Letzteres, denn im offiziellen Pressetext heißt es weiter  – und das steigert die Ironie noch in den Zynismus -: „… denn was zerbrochen ist, funktioniert nicht mehr.“ Barbara Thalheim selbst aber ist fraglos als Sängerin und Songschreiberin die starke Frau, eine, die auftrumpft, meinungsstark und eindeutig Partei ergreift, mit dem Finger auf Ungerechtigkeit zeigend, faktisch berichtend und empathisch erzählend, je nachdem. Und persönlich? Sie weiß um „Brüche“ und „Fall“, darum geht es auch im Lied über das Leben der Piaf und die Verschränkung von Leben und Bühnenexistenz – „Denn wovon du singst, das musst du auch leben“ – . Nicht nur anrührend, sondern wichtig ihr Lied über  einen Schwangerschaftsabbruch. Sie nehme an, sagt Thalheim dazu, dass sie das bisher einzige Lied über dieses Thema geschrieben habe: Achtzehn Jahre alt ist das weibliche Ich des Songs und erlebt auf Hiddensee eine Liebe ohne Zukunft. „Jede Nacht“, singt Thalheim, „zum Untergang bereit. Und das hat mich irgendwie gefreut.“ Dann die Konsequenz, der eigentlich zerreißende Widerspruch: Die junge Frau, die liebte,  in einem OP, „kaputte Kacheln, der Schlauch“ singt die Liedermacherin.

Stark, ganz nebenbei, ist einfach auch die Tatsache, wie die an der Hochschule „Hanns Eisler“ ausgebildete Sängerin Thalheim heute, mit 71 Jahren, auf der Bühne steht. Sie habe Lampenfieber, ja, sagt sie noch kurz vor dem Auftritt, aber dann stürmt sie mit ihrer dreiköpfigen Band auf die Bühne, blonde Locken, Jeans. Sofort war sie wieder in ihrem Bühnen-Ich behaust, kein Anstrich von Alter, scheinbar keine Ermüdung bis zum Ende des zweistündigen Konzerts. Disziplin, kritischer Geist und künstlerische Intention, darf man schließen, halten ihr die Stange seit Beginn ihrer Arbeit 1970.  Seit 1977 tritt die Thalheim übrigens sowohl östlich der Oder-Neiße als auch westlich der innerdeutschen Grenze auf. Mit Konstantin Wecker, mit Georges Moustaki oder Hanna Hegerová, um nur wenige zu nennen, stand sie auf der Bühne. Sie hat den Blick auf die Welt gerichtet, wie, davon erzählen heute Abend auch ihre Songs über Prostitution oder über die Perspektive der “Afrikanerin” Mariana auf die weiße Kultur. Viele ihrer Texte, so auch in diesem Konzert, sind allerdings Übersetzungen, häufig aus dem Französischen, oder auch Übertragungen, ein Stück weit angepasst an die Verhältnisse in Deutschland.

Und um noch einmal auf das grandiose Ende des Konzerts zurückzukommen: Es war nicht nur der Hommage an die Piaf und auch nicht nur dem wortgewaltigen Song  über die Eifersucht (“Die arme Schwester der Liebe”), der Nachdichtung eines Songs der Band “Noir Désir” zu verdanken, sondern auch den Musikern. Mit vorzüglichen Arrangements begleiteten der Perkussionist Topo Gioia, Felix Jacobi am Kontrabass und Gitarrist, und “Kopf” der Band, Rüdiger Krause so klar wie poetisch akzentuierend das Konzert. Krauses Gitarrensoli gegen Ende waren hinreißend. Ihren fabelhaften Kollegen dankte die Sängerin ausführlich: “Sie sind das Geschenk meines Alters.”

Grande Dame der Liedermacherei

Neue Wernigeröder Zeitung   Nov. 2018

Da war sie mal wieder in der vertrauten Remise, die singende Rebellin mit ihrer Gitarre, die Stimme rauer, die blonden Locken kürzer, aber die Seele so wund wie einst; auch dieses Land ist nicht wirklich das ihre. Barbara Thal-heim hat sich zu ihrem 70. Geburtstag ein neues Programm geschenkt, „voll jährig“, darin singt sie erstmals auch ein französisches Lied – Beweis ihrer Frankreich-Liebe. Gerade erst war sie wieder monatelang dort und schrieb Kolumnen. Den besonderen Reiz ihre Konzerte machen immer wieder die lakonischen Geschichten aus, die sie zwischen den Titeln erzählt. So wie sie mit Freunden auf einer französischen Insel ahnungslos ein Ferienhaus mietete und sich wunderte, dort nur Nackte zu sehen – es ist die einzige Nudisteninsel des Landes. Oder die Story mit der Mutprobe, wie sie mit 14 einen geklauten Teppich unbehelligt in den Geheimkeller ihrer Bande schleppt und zu Hause schon der ABV mit der Mutter im Wohnzimmer wartet… Ch. Trosin

Kunstpause: Was soll ich mit dem Akkordeon?

Ostthüringer Zeitung Frank Quilitzsch / 07.05.18

Post aus Paris: Die Liedermacherin Barbara Thalheim schreibt, dass sie wieder allein durch das Land ihrer Träume reise und in Montargis im Loiret auf das Fahrrad von Deng Xiaoping gestoßen sei. Zunächst jedoch auf eine Skulptur, die einen Chinesen zeigt.
Wie kommt der Chinese in die hundert Kilometer südlich von Paris gelegene Kleinstadt? Die Leute, die sie auf der Straße fragt, wissen es nicht. Aufklärung gibt schließlich eine asiatische Französin: Zwischen 1902 und 1927 kamen etwa 4000 junge Chinesen nach Frankreich, Arbeiter, Studenten und Intellektuelle, darunter die späteren Spitzenpolitiker Zhou Enlai und Deng Xiaoping. Montargis gilt heute als die Wiege der Kommunistischen Partei Chinas, und ein kleines Museum zeigt Dengs alten Drahtesel als Touristenattraktion.
Und was zieht Barbara Thalheim immer wieder nach Frankreich?
Vor 26 Jahren floh sie aus ihrem Lebenslauf in die Fremde und brachte aus Paris den begnadeten Akkordeonisten Jean Pacalet ins vereinigte Deutschland mit. Gemeinsam entstand das Album „Fremdegehen – Lieder und Geschichten vom Weggehen und Wiederkommen“, die „Abnabelung“ einer in die DDR „Hineingeborenen“, wie es auf dem Cover heißt.
Wovon nabelt sich die Sängerin diesmal ab?
„Für mich entzaubert sich Frankreich gerade“, schreibt sie. „Aber stell dir vor: Am letzten Tag im Loiret klopfte es und es stand ein etwa 50-jähriger Mann mit Akkordeon vor der Tür.“
Wie sich herausstellt, hat der Fremde vor Jahren mehrere Meisterkurse bei Jean Pacalet absolviert. Nun spielt er der verdutzten Thalheim zwei Stücke von ihm vor. „Hölzern, aber viel geübt“, schreibt sie bewundernd. „Der Mann hat drei Kinder und in der Nähe eine Holzschredder-Firma, macht also Brennholz. Dann kommt er nach Hause, isst zu Abend und übt zwei, drei Stunden Akkordeon. Ich sage: Ist Ihre Frau da nicht ein wenig eifersüchtig? Er: Wieso? Sie hat mich mit meiner Passion – dem Akkordeon – geheiratet. Eifersucht? Das Wort kenne sie gar nicht, sagt er… – Ach, ich liebe solche Typen!“
Und ich liebe solche Briefe.
Ich habe Jean Pacalet mehrmals mit Barbara Thalheim im Konzert erlebt, zuletzt, kurz vor seinem Tod, in Weimar. Statt seiner langen, wilden Mähne trug er eine Wollmütze, um sein kahles Haupt zu bedecken. Doch Pacalet spielte Akkordeon wie ein junger Gott. Am 7. Juli 2011 verlor er den Kampf gegen den Krebs. Eine tieftraurige, nichtsdestotrotz schöne Geschichte, die ihren Anfang in der französischen Fremde nahm. „Die Fremde ist allgegenwärtig und irgendwie muss man sie aushalten, als Chance und Bedrohung“, schreibt Barbara Thalheim.
Ich freue mich auf ihre nächste CD.

Paris, meine Liebe

der Freitag, 38/2017

Barbara Thalheim feiert ihren 70. Geburstag auf der Bühne. Sie spricht über 47 Jahre als Sängerin, ihre Vergangenheit in der DDR und ihre tiefe Zuneigung zu Frankreich…

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Programm AltTag mit Barbara Thalheim im UT Connewitz gefeiert

Lars Schmidt, 11. Februar 2016 Leipziger Volkszeitung 

…der rote Faden wird am Mittwoch im UT Connewitz gleich mit der ersten Ansage entrollt: „Alt will jeder werden, aber keiner will alt sein“. Ein Abend, der sich diesem verdrängten Thema in allen Facetten von erworbener Weisheit, reichen Erinnerungen, gelebten Idealen und verlorenen Träumen…widmet.

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…kunstvolle Melange aus Konzert und Film

Frank Quilitzsch, 2/2016 Thüringer Landeszeitung

Die Liedermacherin Thalheim ist auch mit 68 künstlerisch noch längst nicht am Ende. Wieder ist sie aufgebrochen, wagt Neues, indem sie sich dem Alltag im Alter stellt. Man kann das gut zweieinhalbstündige Konzert auch als ein multimediales Live-Erlebnis bezeichnen…. Der Umgang mit dem Altern und dem Alter ist erfrischend und ermutigend zugleich, und während andere den Gedanken an Abschied und Tod verdrängen, lässt Thalheim ihren 2011 an Krebs gestorbenen Bühnenpartner Jean Pacalet wieder „auferstehen.“ Überlebensgroß musiziert der Avantgarde-Akkordeonist auf der Leinwand, während Rüdiger Krause (Gitarre), Felix-Otto Jacobi (Bass) und Topo Gioia (Percussion) ihn live begleiten…. Den Begriff Lebensabend lehnt die Sängerin als Verharmlosung vehement ab. Das sei ja gerade so, „als wäre das eine Zielgerade, auf der man passiv, heiter und gut betreut in sein Grab schlendert.“

Das schöne Maß des Menschlichen/ Barbara Thalheim spielt in Halle

Andreas Montag, 2/2016  Mitteldeutsche Zeitung

Tabus sind Mangelware geworden in der modernen Gesellschaft – politische, ethische, sexuelle…. Nur ein einziges „No Go“, wie man neudeutsch sagt, ist geblieben… Das Alter… Thalheim hat kein Problem damit, die Dinge beim Namen zu nennen…Also auch über das Altern zu singen. „AltTag“ heißt das neue Programm mit Bildern und Filmen, die ihren Liedern nachgehen. Begleitet von großartigen Musikern…geht Thalheim dem Thema nach – manchmal sehr direkt, manchmal befreiend komisch. Nicht ohne Melacholie, aber nie selbstmitleidig. Und wenn es um Sex geht, das Tabu im Tabu, dann spricht sie eben von Sex.

Einer der intimsten Momente des Abends, der spät und mit viel Beifall endet, ist das Spiel der Band zu einer Filmaufzeichnung, die den wunderbaren, 2011 gestorbenen Akkordeonisten Jean Pacalet konzentriert und versunken bei der Arbeit des Musizierens zeigt. Eine schönere Ehrung für Barbara Thalheims langjährigen Bühnengefährten lässt sich kaum denken…

Barbara Thalheim,  Bar jeder Vernunft  5.7.15
record-release-concert  zum Erscheinen der DVD

 Stephan Göritz, Folker 9/2015

In ihrem neuen Programm AltTag setzt sich Barbara Thalheim mit dem Widerspruch auseinander, dass  jeder alt werden will, sich aber alle beklagen, wenn sie alt sind. Doch bei der 67jährigen war Jammern nicht angesagt. Stattdessen versprach sie, ohne Marmeladenmund alt zu werden und noch mit knackenden Knochen einen Veitstanz aufs Parkett zu legen….und … wie man sich auf den Alltag seines AltTags vorbereiten sollte….“große Leidenschaften pflegen, nicht so viel an Geld denken und etwas dafür tun, dass man sich nicht zu oft mit sich selbst beschäftigen muss“.

B.Th. hat befreundete Filmemacher und Zeichner wie Joachim Tschirner und Daniela Richter gebeten, einige Stücke des Abends bildlich umzusetzen. Diese Comic-, Foto- und Realfilme verliehen den Liedern zusätzliche Dimension. So wurde „Alte Frau im Winter“ über Alterserfahrungen einer Alleingelassenen fast ins Mythische erhoben: Die Porträtfotos von Frauen der Generationen siebzig plus (von der bekannten Fotografin Ute Mahler) zeigten jene typischen Risse, die man sofort mit alten Fresken verbindet. …

…die Besucher des Releasekonzertes… beobachten, mit welch in sich ruhender Souveränität Barbara Thalheim sang, wie zärtlich der Argentinier Topo Gioia mit seinem Schlagwerk umging, wie der Gitarrist Rüdiger Krause sogar in einem Lied aus Schuberts Winterreise den Swing entdeckte, und wie der Pole Bartek Mlejnek bewies, dass sich ein Bass nicht auf die Grundierung beschränken muss…

Was von den alten Tagen bleibt

Gerd Dehnel, Märkische Oderzeitung, Gerd Dehnel, 7/2015 

Thalheim lässt auf einer DVD ihre Lieder durch Filme…ergänzen.

„Sommer vorbei“ ist der bildgewaltig starke Auftakt zu Barbara Thalheims DVD „AltTag“. Der Titel spielt mit dem Begriff Alltag… Was geschieht mit uns, wenn der Alltag sich zu alten Tagen, Tagen des Alterns wandelt?

Zwölf Filme und Collagen von Fotografen und Filmemachern illustrieren nachdenkliche Lieder aus mehr als vier Jahrzehnten über das Leben und dessen Zurneigegehen. Barbara Thalheim hatte vor mehr als 20 Jahren ihren Rücktritt als Sängerin verkündet…vom Rücktritt war sie dann zurückgetreten. Schicksalsschläge stellten ihre späte Karriere aber immer wieder infrage. „AltTag“ nun macht erneut deutlich, was verloren gegangen wäre, hätte sie wirklich schon aufgehört, sich ins Private zurückgezogen. Sie ist und bleibt wache Beobachterin, die zu überraschen vermag…

Was bleibt

Thalheims AltTag – ein Konzert zur DVD

Martin Hatzius, Neues Deutschland, 7/2015

Nicht, dass die Stücke … allesamt melancholisch wären, aber es spricht doch die Frage aus ihnen: Was bleibt?. Von mir und meinen Liedern, von meinem Leben, den Menschen, die ich liebte, von meinen Träumen, meiner Hoffnung, meiner Welt? Das Tröstliche an Barbara Thalheims Auseinandersetzung mit dem Altwerden und Altsein ist aber, dass sie an ihren Zweifeln nicht verzweifelt. Sie gibt sich ihnen nicht hin. Sie gibt sie her. ….sie zu teilen mit Freunden, Kollegen, Künstlern, auch wesentlich jüngeren…

Dreh am Rhein

Ebba Hagenberg-Milliu, General-Anzeiger  Bonn 7/2015

Film von Godesberger Regisseur Kai von Westerman

Nackte Füße laufen über Gras und dann über Stock und Stein. Es sind zarte Kinderfüße, die sich ihren Weg auf Sand, Schotter, Pflastersteinen und Asphalt bahnen.  „Mein Herz muss barfuß gehen durch diese Welt, kein Schutz für seine Zehen wird ihm gestellt“, die Stimme Barbara Thalheims ist im Off zu hören. …das regional geübte Auge erkennt im Film das Rheintal mit dem Posttower im Hintergrund. „Ja, der Ausblick in die Ferne ist der vom Siebengebirge auf Bonn und dient als filmischer Kontrast…, antwortet der Regisseur Kai von Westerman, der als Kameramann der ARD Sachgeschichten (Sendung mit der Maus) … und durch eigene Filme bundesweit bekannt ist. Schon 1989 hatte er bei Dreharbeiten in Ostberlin … Barbara Thalheim kennengelernt. Die Filmaufnahmen für einen ihrer Songs auf der DVD AltTag entstanden auch am Rheinufer, im Marienforster Ländchen, in der Bonner Fußgängerzone, erläutert der Regisseur. „Es war schwierig hinzubekommen, dass die Passanten meiner Kamera gewissermaßen auf die Füße treten“, erläutert Kai von Westerman. Entsprechend dem Liedtext habe er für nackte Füße möglichst unangenehme Böden gesucht.

Barbara Thalheim hat auf ihrer DVD ein Experiment gewagt: ihre Songs mit dafür gedrehten Filmen zu kombinieren. Es sind 12 „verfilmte“ Lieder,  über das Älterwerden und Altsein, das letzte Lebensdrittel entstanden, das oft Lebensabend genannt werde, meint Thalheim. „So, als wäre da eine Zielgerade, auf der man passiv, heiter und gut betreut in sein Grab schlendert“…

Thalheim-Programm AltTag im Theater Stralsund

Christian Rödel,  Ostseezeitung 1/2015

…über Alter und Tod zu sinnieren…, ist für viele Menschen nur schwer erträglich. …die Berliner Sängerin Barbara Thalheim stellt sich der unumstößlichen Realität und macht daraus ein bemerkenswertes

Konzertprogramm, dass sie mit dem Titel „AltTag“ überschrieb. Mit ihrer Band gastierte sie im Stralsunder Theater und ermunterte das Publikum, lustvoll und auch ironisch mit dem Alter umzugehen.  Auch durch die eingespielten  Filmsequenzen zu ihren Songs entstanden Mutmachlieder, die der Vergänglichkeit des Lebens die Stirn bieten und einen angesichts der prognostizierten Überalterung der Gesellschaft etwas gelassener werden lassen….

AltTag

Burkhard Baltzer,  KUNSTUNDKULTUR, Kulturpolitische Zeitschrift von ver.di 12/2014

so heißt das neue Programm der Berliner Liedermacherin Barbara Thalheim, das im Berliner Filmtheater Babylon Premiere feierte. Für ihre neue Produktion hat sich Thalheim einiges vorgenommen: Allein das Thema – der demografische Wandel, die Überalterung der Gesellschaft – taugt kaum für ein Unterhaltungsprogramm. Thalheim hat sich mit 14 Filmemachern, darunter sehr viele junge Leute, für dieses multimediale Konzept zusammengetan. Sie haben zu ihren Liedern Filme gedreht …die mit eigenen Deutungen und Blickwinkeln aufwarten. Auch zwei Animationsfilme sind entstanden. Besondere Resonanz fand der Film zum Song „Alte Frau im Winter“ mit Fotos der Berliner Porträt-Fotografin Ute Mahler, realisiert  vom Berliner Filmhaus unter der Leitung des Cineasten Jochen Trauptmann. Obwohl das Thema ernst und schwer daherkommt, darf in dem fast dreistündigen Programm durchaus gelacht werden….

Melancholiebe und Melanchozorn

Martin Hatzius, Neues Deutschland 29.10.2013

Mit Endspielen, nachträglich vorläufigen Endspielen, hat Barbara Thalheim ihre Erfahrungen gemacht. Bereits 1995, das ist bald zwanzig Jahre her, bestritt die Sängerin nach überstandener Erkrankung eine Abschiedstournee. Es kam anders, dem ersten folgte ein zweites Leben. Thalheim verdankte es dem französischen Komponisten und Akkordeon-Virtuosen Jean Pacalet, der ihr musikalischer Lebenspartner wurde, eine Liebe, die man hören konnte in den gemeinsamen Arbeiten. (Arbeiten – das Wort klingt nach Plage, Mühe und Schweiß; hier aber flattert es auf in scheinbar schwerelose Lustlüfte).

2011 starb Pacalet. Wieder das Unvermögen, sich aus der Bleischwere aufzurappeln, zumal ins Scheinwerferlicht. Ein vorläufiges Unvermögen abermals, das zu überwinden es Kraft und, wichtiger, sehr guter Freunde bedurft haben muss. Barbara Thalheims neue Platte ist eine Live-CD, aufgenommen im Februar 2013 bei zwei Konzerten in Berlin. Wenige neue, viele bekannte Lieder darauf, aber allesamt ungehört auf diese Art. Das Neue liegt einerseits in Thalheims Stimme, die sich gleichzeitig reifer und unbeschwerter anhört – als hätte das Sandpapier der Lebensjahre die Stimm- und Seelenbänder genau an den passenden Stellen für Melancholiebe oder Melanchozorn geschliffen. Jung klingen kann sie noch immer, älter jetzt besser als je zuvor.

Vor allem aber geht der neue Thalheim-Klang auf die Musiker ihrer international besetzten Band zurück, die, wie die Chansonnière in ein paar Zwischensätzen kokett bemerkt, vom Alter her ihre Söhne sein könnten. Gitarrist und Bandleader Rüdiger Krause kommt vom Jazz; er beherrscht sein Handwerk so gut, dass sein Saitenspiel trotz aller Vielfalt zuweilen allzu glatt und gefällig klingt. Der meist gezupfte Kontrabass von Bartek Mlejnek weiß rhythmisch hüpfend dagegenzuklopfen, als wolle er einwenden, dass es in vielen der Lieder doch gerade ums Stolpern, ums Aufstehen und wieder ums Stolpern geht. Was, dezent im Hintergrund, der Percussionist Topa Gioia mit seinem Schlagwerk einbringt, könnte eine Kunst für sich sein, wäre es nicht so vortrefflich eingefühlt ins Ganze.

Jean Pacalet ist gegangen, und doch ist er anwesend in diesem »Zwischenspiel«, das ja im Grunde nichts anderes ist als ein Durchatmen, sich Umsehen in alle Richtungen, nach hinten, nach unten und oben, nach vorn – ein retardierendes Moment vor dem Weiterspiel und fern dem Nachspiel. Pacalet ist gegenwärtig in Liedversen wie diesen: »Ach, die Liebe die ich meine/ ist von Steinen unbeschwert./ Sie läuft an keiner Leine,/ fängt sich nicht selber ein./ Auch wenn sie noch so brennt,/ bleibt sie doch unversehrt./ Die Liebe, die ich meine/ überlebt den Totenschein.« Auf der Booklet-Seite zum Song (gestaltet von Odette Lacasa) schaut er überlebensgroß – sanfte Augen, löchriger Strohhut – als lebendiges Wandbild zwischen Fenstern durch ein Fenster. Wohin? Auf ein winziges Paar. Die Texte von Fritz-Jochen Kopka, Michael Wüstefeld, Leo Kettler und Barbara Thalheim erzählen kleine Geschichten und große Geschichte. Weil es fast immer um Liebe geht, drehen Gefühle und Gedanken sich oft um ein Ich, das Halt sucht und Halt geben will. Thalheim, die trotz anhaltender Liebeslust ihre »Mutation von einer ›Sie‹ zu einem ›Es‹« reklamiert und deren im Dezember beginnendes Bühnenprogramm schlicht »Alt« heißt, lässt gelebtes Leben nicht lediglich Revue passieren, sie spiegelt es in den Pfützen, die einmal geträumte Meere waren. Und das erstaunliche ist: Wenn sie hineinguckt, kann sie sich immer noch erkennen.

Dass nicht einfach loszuwerden ist, was einmal zu dir gehörte – von diesem Bekenntnis ist auch »Kinderland« geprägt, ein Lied über die gehassliebte, irgendwann so verflucht verflachte DDR, die doch mehr war, als offiziell von ihr übrig geblieben ist: »Bist abgebrannt/ und bleibst mir doch auf ewig eingebrannt,/ mein flaches, flaches Kinderland«.

„Kunst soll nicht außerhalb des Lebens stattfinden, sondern mittendrin“

Gespräch von Friedrich Schorlemmer mit Barbara Thalheim am 7. Oktober 1999, Auszug aus „Lebenswege“ Band 3, erschienen im Jahr 2000 …. >>> weiterlesen

„Zur Person – Günter Gaus im Gespräch mit Barbara Thalheim“

Fernsehsendung vom 29. Oktober 1990 … >>> weiterlesen